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Wie in meinen Spielleitertipps zu Beyond the wall angedeutet hier mal der Versuch darzustellen, was beim Auswürfeln auf den Zufallstabellen des Abenteuers „Der geheime Kult“ herausgekommen ist, und wie ich das Ganze als Abenteuer umgesetzt habe.
Zuerst die Ergebnisse:
- Wer oder was hat die Charaktere verraten? – Gustav, der grauhaarige Söldner, mit dem die unerprobte Diebin in ihrer Jugend Freundschaft geschlossen hatte (3. Zufallstabelle).
- Was braucht der Kult verzweifelt? – Die Farm, welche die unerprobte Diebin von einem alten Mann namens Russell geerbt hatte (7. Zufallstabelle).
- Was ist das wahre Ziel des Kultes? – (4) Der Kult ist geradeheraus böse und will alle Dorfbewohner umbringen. Niemand soll entkommen!
- Wer ist der Führer des Kultes? – (6) Ein verschollener Adeliger, kam vor kurzem, unverhohlen oder verborgen, in das Dorf und brachte seine okkulten Praktiken mit.
- Was treibt die Charaktere zum Eingreifen? – (3) Die Kultisten haben die Taverne niedergebrannt, egal ob die Charaktere darin waren oder nicht. Warum haben sie das getan?
- Was könnte die Charaktere von der Fährte abbringen? – (2) Ein Monster durchstreift die nahen Wälder. Diese Kreatur ist bösartig, aber nicht notwendigerweise ein Feind der Charaktere oder hinter ihnen her.
- Was bewacht den Dungeon? —(7) Der Kult hat einen Geist überzeugt, das Versteck zu bewachen.
- Welche Herausforderungen warten im Dungeon? – (4) Körperlose Seelen verteidigen den Dungeon. Angemessen wären eine Gruppe verwirrter Seelen, geplagt vom Kult oder einem niederen Dämon.
- Was ist die letzte Herausforderung des Dungeons? – (1) Der Streiter des Kultes (wahrscheinlich ein Kämpfer der 2. oder 3. Stufe) steht zwischen den Charakteren und ihren Zielen.
Was mir auf den ersten Blick aufgefallen war: ein altgedienter Söldner hat die Charaktere verraten und der Streiter des Kultes soll die letzte Herausforderung im Dungeon sein – klar, dass die Charaktere am Ende gegen Gustav und damit gegen einen guten Freund der Diebin antreten mussten.
Etwas verzwickter war das zweite Würfelergebnis, denn warum brauchen die Kultisten ausgerechnet eine Farm? Meine erste Idee, dass dort etwas Spezielles angebaut wird, zum Beispiel ein geheimes Rauschkraut, hat ein Wurf auf der Tabelle der kürzlichen Ereignisse (siehe unten) zunichte gemacht. Also habe ich entschieden, dass das Farmhaus (wissentlich oder unwissentlich) auf einem vergessenen unterirdischen Tempel errichtet wurde, den der Kult für ein dunkles Ritual benötigt.
Bevor ich die weiteren Fäden zusammengesponnen habe, habe ich die Spieler dann erst mal auf der Tabelle mit den kürzlichen Ereignissen würfeln lassen, und diese dann in chronologischer Reihenfolge abgearbeitet:
- (10) – Die Ernte leuchtet in einem kränklichen Grün […]. Leider hat der Spieler die Probe nicht geschafft, daher ist leider die gesamte Ernte (also auch die der Farm der unerprobten Diebin) verbrannt worden. Da eine Zeitangabe fehlte, habe ich dieses Ereignis auf zwei Wochen vor dem Abenteuer verortet.
- (8) In der letzten Woche färbte sich der Fluss (und der See, an dem das Dorf lag) blutrot […]. Auch hier wurde die Probe nicht geschafft und einer der erstellten NSC musste dran glauben (es traf Oswald, den Schmied).
- (2) In der letzten Nacht hast du einen Schrei im Dorf gehört […]. Hier hat’s mit der Probe hingehauen und der Charakter konnte die Gargyle hinter dem Dorfplatz gesehen.
Die Gargyle passte super zu dem Monster, das die Charaktere als Roter Hering von der Fährte abbringen sollte, also habe ich das Abenteuer damit eröffnet, anstatt mit dem Brand in der Taverne. Also wurde die Gargyle dabei beobachtet, wie sie ein Kästchen hinter dem Tempel ausgrub und damit in Richtung See davonflog.
Die Charaktere versuchten am nächsten Tag, die Gargyle aufzuspüren, fragten sich durch, umrundeten den See und folgten dem Zulauf flussaufwärts. Nach ein paar Kilometern kamen sie an einen merkwürdigen Beschwörungsplatz mit einem in den Boden geritzten Drudenfuß und konnten – trotz Abwesenheit eines Magiers – schlussfolgern, dass hier erst kürzlich eine Beschwörung oder ein anderes dunkles Ritual durchgeführt worden war. Natürlich war dies der Ursprung der roten Flut, welche vor einer Woche das Dorf zum Teil zerstörte.
Die Gargyle war vergessen, die Charaktere eilten zurück ins Dorf, um sich mit dem Priester des Tempels zu beratschlagen. Bis dahin kamen sie aber gar nicht, da die Taverne lichterloh brannte, zufälligerweise das Elternhaus des jungen Waldläufers. Das ganze Dorf war bereits zum Löschen auf den Beinen. Das ganze Dorf? Nein, natürlich nicht …! Natürlich benutzte der Kult die brennende Taverne als Ablenkung, um alle Einwohner des Dorfes mit Löscharbeiten zu binden, um sich die Farm und den darunter verborgenen Tempel unter den Nagel zu reißen.
Die SC fragten sich durch, was denn passiert sei, und erfuhren, dass das Feuer vollkommen unvermittelt im Dachstuhl des Hauses ausgebrochen sei. Zum Glück hätte ein Passant es rechtzeitig bemerkt, so dass alle Personen aus dem Schankraum gerettet werden konnten. Allerdings hatte der Passant auch einen Dorfjugendlichen namens Cendric gesehen, der vom Gasthaus weggelaufen sei, anstatt zu helfen.
Diesem merkwürdigen Verhalten gingen die Charaktere nach und suchten Cendric. Nachdem sie erfolglos alles abgesucht hatten, blieb nur eine Möglichkeit offen, wohin Cendric gelaufen sein könnte – zur Farm der Diebin. Dort machten unsere Helden dann die grausige Entdeckung, dass Russell brutal abgestochen worden war. Kurze Zeit später entdeckten sie den Zugang zum Tempel im Keller der Farm hinter einem Schrank.
Jetzt musste also ein Geist her, der das Kultversteck bewachen sollte. Mir kam plötzlich die Erleuchtung, dass es sich hierbei nur um ein Luftelementar handeln konnte – denn erst wurde die Ernte vernichtet (=Erde), dann der Fluss blutrot (=Wasser) und zum Schluss brannte die Taverne (=Feuer), fehlte also nur noch ein Element, um sie komplett zu haben.
Ich ließ das Kästchen wieder auftauchen, das die Gargyle ausgegraben hatte, um den Anschein von Konsistenz zu erzeugen, obwohl das wahrscheinlich die größte Logiklücke des Abenteuers war. In Wahrheit war dieses Kästchen ein Gefängnis für das Elementar gewesen, jetzt war es freigelassen worden, um den ersten Raum des Verlieses zu bewachen. In das Kästchen eingraviert war der wahre Name des Elementars, und obwohl kein Magier anwesend war, habe ich den Charakteren trotzdem erlaubt, diesen Namen zu benutzen, um das Elementar zu kontrollieren (und es zurück in das Gefängnis zu schicken).
Hinter dem Eingangsraum entdeckten die Charaktere lange Gänge mit Nischen, in denen Tote beerdigt waren – natürlich mittlerweile zu Skeletten zerfallen. Dann tauchten die Seelen auf, in Form von vagen Gesichtern in Rauchschwaden. Ich wollte dies nicht zwingend auf einen Konflikt hinauslaufen lassen, also waren sie erst einmal verstört, aber friedlich. Sie wehklagten die ganze Zeit, dass man sie gerufen hätte, aber doch bitte in Ruhe lassen solle. Über geschickte Verhandlung fanden die SC heraus, dass jemand hier unten ein Ritual praktizierte, um die Seelen aus dem Jenseits zu holen und wieder an ihre toten Körper zu binden. Keine Frage, dass unsere Helden dieses dunkle Ritual verhindern mussten, bevor es vollendet war.
Der Showdown fand dann in einem von Balkonen gesäumten Altarraum statt. Die drei Charaktere sahen sich Gustav, dem Streiter des Kultes, sowie zwei einfachen Kultisten, einer davon der Jugendliche Cendric, gegenüber. Eigentlich war geplant, dass die Charaktere erst mit diesen drei Gegnern kämpfen, während im Hintergrund ein Kultmagier, nämlich der adelige Anführer des Kultes, versucht, sein Ritual zur Erweckung der Toten zu vollenden. Natürlich stürzten sich die Charaktere zuerst auf den Magier, um ihn von seinem Ritual abzuhalten, und erst dann auf die anderen Kämpfer. Das im Eingangsraum erbeutete Luftelementar diente den Charakteren dabei als tatkräftige Unterstützung, so dass drei der Gegner relativ schnell besiegt werden konnten, während Cendric floh.
Weit kam er aber nicht, wurde er in den Katakomben doch von den rastlosen Seelen aufgehalten. So konnte er den Charakteren erzählen, dass der Adelige einst der Erbe der Baronie war, in welchem auch das Dorf liegt, aber von seiner Familie verstoßen worden war. Um sein Erbe geprellt sann er auf Rache, huldigte den falschen Göttern, erlernte Schwarze Magie, und kam nun zurück, um seine Rache zu vollenden. Vielleicht eine schwache Motivation, aber mir ist auf die Schnelle nichts anderes eingefallen (und die Vorgabe „Der Kult ist geradeheraus böse und will alle Dorfbewohner umbringen“ ist auch keine gute Inspiration gewesen).
Letztendlich wurde dann noch der Tempel inspiziert. Falls es nach dem Abenteuer hätte weitergehen sollen, dann wohl so:
- Was finden die Charaktere im Versteckt des Kultes? – (2) Der Kult verwahrt einen enormen, kostbaren Edelstein in ihrem Allerheiligsten … Vielmehr war der Edelstein Teil eines kostbaren Amuletts, welchen den Kultmagier tatsächlich als Mitglied der Familie des Barons ausgewiesen hatte.
- Welchen Hinweis finden die Charaktere? – (1) Die Charaktere finden entweder im Allerheiligsten oder unter dem Besitz der Kultisten eine Karte, welche sie zu einem verborgenen Tempel der vergessenen Götter des Chaos führt … und da hatte der Gute wohl auch seine fanatischen Ansichten erhalten und seine schwarzen Praktiken erlernt.
Hmm, jetzt im Nachgang liest es sich fast besser, als es sich damals beim Leiten angefühlt hatte … Es wirkte da irgendwie „löchrig“.
Liest sich tatsächlich sehr rund – das hat bei uns auch gut funktioniert, wobei ich das runde Gefühl schon beim Leiten hatte. {Hatte meine Tabellen aber auch vorgewürfelt und drüber gegrübelt.}
Ja, bei mir hat es sich erst hinterher, beim Aufschreiben, eingestellt. Während des Spielens kamen auch von den Spielern Kommentare, bei denen man zwischen den Zeilen heraushören konnte, dass sie es irgendwie ein wenig „unzusammenpassend“ finden. Daher wirklich: im Vorfeld vorwürfeln!
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