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Warum eine Hausregel?
Meiner Meinung nach krankt das Magiesystem von D&D ja eigentlich schon seit der ersten Auflage an dem Problem, dass der Großteil der Magieanwender (Magier, Priester, Waldläufer, Paladine) sich ihre Zaubersprüche morgens einprägen und dann den Tag über mit diesem „Satz“ an Sprüchen leben müssen – komme, was wolle. So ist zum Beispiel ein Magier, der sich am Morgen mit Kampfsprüchen „vollgepumpt“ hat, während eines Detektivabenteuers genauso benachteiligt, wie ein mit Hilfs- und Erkenntniszaubern „aufgeladener“ Magier während eines großen, epochalen Kampfes nutzlos ist. Dies hat in meiner Gruppe zur Folge, dass sich die Magieanwender ein Standardrepertoire an Sprüchen einprägen, mit dem sie für verschiedene Situationen gewappnet sind. Dies wiederum hat zwei unmittelbare Konsequenzen, nämlich dass zum einen trotzdem gut die Hälfte der eingeprägten Sprüche „für die Katz“ eingeprägt wurden, und zum anderen, dass die Magieanwender immer die gleichen Sprüche memoriert und viele Zauber, die nur in Spezialfällen zum Einsatz kämen, eigentlich nie benutzt werden. Eine Anpassung der „Morgens-einprägen“-Regel soll dieses Manko reduzieren.
Alternativen
Die erste Überlegung war natürlich, das Memorieren der Sprüche komplett abzuschaffen, so dass Magier, Kleriker und Co. einfach die Sprüche, die sie kennen, zaubern können, ohne sie zu memorieren. Dies würde aber den Übergang zwischen Magiern („geordnete, akademische Magie“) und Hexenmeistern („intuitive, wilde Magie“) und aber vor allem zwischen Magie und Psi zu stark verwischen – das wollte ich nicht.
Die zweite Überlegung war, das gesamte Magiesystem komplett über den Haufen zu werfen und ein freies, an Ars Magica angelehntes System einzuführen. Da allerdings das bestehende System, basierend auf eben den Zaubersprüchen und Zauberstufen, stark in das restliche Regelwerk von D&D integriert ist, wollte ich diese Vernetzung nicht unnötig durchbrechen.
Eine weitere Überlegung war es, die Anzahl an Zaubersprüchen pro Spruchstufe in so etwas wie „Zauberpunkte“ umzurechnen, die dann flexibel auf spontan gezauberte Magie verteilt werden können. Dies würde aber das Gleichgewicht zwischen den Klassen zu sehr in Wanken bringen – außerdem könnte ein Magier der 20. Stufe mit unzähligen Zaubern der 9. Spruchstufe um sich werfen, was natürlich nicht nur für die Spielercharaktere gelten würde, sondern auch für ihre Gegner! Außerdem hatte ich die Befürchtung, dieses Magiesystem könnte eine mathematische Herausforderung münden.
Nach reiflicher Überlegung und Ausloten der Alternativen habe ich mich dann dazu entschieden, die ursprünglichen Regeln nur sehr minimal abzuändern, aber trotzdem einen gewissen Grad an Flexibilität zu gewährleisten. Die mündete in folgender
Hausregel
Charakterklassen, die zurzeit ihre Zaubersprüche memorieren müssen, müssen dies auch weiterhin tun, aber nicht zwingend morgens nach dem Aufstehen!
Diese Regel gilt somit also für Magier, Kleriker, Druiden, Waldläufer, Paladine, nicht aber für Hexenmeister, Barden oder Assassine.
Ein Magieanwender kann sich dazu entscheiden, morgens (genauer gesagt: nach einer achtstündigen Ruhephase) entweder alle, nur einen Teil oder aber gar keine seiner verfügbaren Sprüche pro Spruchstufe zu memorieren. Die memorierten Sprüche können jederzeit ganz normal gezaubert werden, ohne einen Zeitverlust in Kauf nehmen zu müssen. Die freien Slots können dann zu einem beliebigen Zeitpunkt im späteren Verlauf des Tages memoriert werden. Das einzige, was der Spruchanwender dazu benötigt, ist Vorbereitungszeit – es ist also nicht möglich, noch schnell ein paar Kampfzauber zu memorieren, während um einen herum schon die Schlacht tobt, oder schnell einen Heilzauber, während der Empfänger des Zaubers bereits im Sterben liegt.
Ein arkaner Magieanwender benötigt zum nachträglichen Memorieren von Sprüchen:
- Einen Ort, an den er sich für ein paar Minuten ungestört zurückziehen kann, um sich konzentrieren zu können.
- Eine Lichtquelle.
- (S)ein Zauberbuch mit der niedergeschriebenen Formel des Spruches.
- Einen freien Slot des gewünschten Zaubergrades.
- Eine fixe Zeitspanne von 4 Minuten (40 Runden), um einen passenden Ort zu finden, diesen vorzubereiten, ausreichend Licht zu schaffen, das Zauberbuch hervorzuholen, seinen Geist zu öffnen und sich zu konzentrieren, und um nach getaner Arbeit wieder „in die reale Welt“ zurückzukehren und alles wieder sorgsam zu verstauen.
- Zusätzlich eine variable Zeitspanne von einer Minute (10 Runden) pro Spruchstufe des memorierten Spruches (natürlich können in einer Sitzung auch mehrere Sprüche memoriert werden). Ein Spruch der 0. Spruchstufe benötigt eine Vorbereitungszeit von 30 Sekunden (5 Runden).
Es würde also zum Beispiel 10 Minuten dauern, einen einzelnen Zauber des 6. Grades nachträglich zu memorieren, aber in der gleichen Zeit könnte man zum Beispiel auch einen Zauber des 3. Grades plus zwei Zauber des 1. Grades plus zwei Zauber des 0. Grades memorieren.
Ein göttlicher Magieanwender hat es in der Regel einfacher, denn er benötigt etwas weniger Voraussetzungen und Vorbereitungszeit für das nachträgliche Memorieren von Sprüchen:
- Einen Ort, an den er sich für ein paar Minuten ungestört zurückziehen kann, um zu beten.
- (S)ein heiliges Symbol.
- Einen freien Slot des gewünschten Zaubergrades.
- Eine fixe Zeitspanne von 2 Minuten (20 Runden), um einen passenden Ort zu finden, diesen vorzubereiten, seinen Geist zu öffnen und in das Gebet an seine Gottheit zu versinken.
- Zusätzlich wie oben erwähnt eine variable Zeitspanne von einer Minute (10 Runden) pro Spruchstufe des memorierten Spruches. Auch hier gilt, dass ein Spruch der 0. Spruchstufe eine Vorbereitungszeit von 30 Sekunden (5 Runden) benötigt.
Um die Zauber in den obigen beiden Beispielen nachträglich zu memorieren, würde ein Priester also jeweils nur 8 Minuten benötigen.
Darüber hinaus bekommen göttliche Magieanwender einen Bonus auf ihre Vorbereitungszeit, wenn sie an einem Ort beten können, der ihrer Gottheit geweiht ist – sei es ein Tempel, ein einfacher Altar, ein heiliger Hain oder ähnliches. In diesen Fällen ist die Gesamtzeit zum Memorieren der Sprüche um die Hälfte kürzer (also eine Minute fix plus 30 Sekunden pro Spruchstufe). Ein heiliges Symbol ist dann nicht mehr erforderlich.
In den meisten Fällen sollte der Charakter genug Zeit und Ruhe haben, um die nachträglichen Sprüche in Ruhe memorieren zu können. Sollte es doch einmal hektisch werden, es in der Umgebung doch lauter sein, als zuerst angenommen, oder der Magieanwender auf andere Art in seiner Ruhe gestört werden, so können Würfe auf Konzentration verlangt werden, damit der Magieanwender mit dem Memorieren des Spruches fortfahren kann. Falls die Ablenkung nicht durch einen magischen Effekt (oder etwas anderes, was in der Beschreibung der Fertigkeit gelistet ist) geschuldet ist, so sollte der Schwierigkeitsgrad bei 10 liegen. Ein missglückter Wurf hat keine negativen Auswirkungen, außer dass der Magieanwender mit dem Memorieren des aktuellen Spruches von vorne beginnen muss. Der freie Slot ist nicht verloren.
Eine Besonderheit gibt es noch für Magierspezialisten: Diese bekommen ja einen zusätzlichen Zauberslot pro Zaubergrad hinzu, den sie jedoch zwingend mit einem Zauber aus ihrem Spezialgebiet belegen müssen. Dieser Slot muss auf jeden Fall bereits zu Beginn des Tages mit einem Zauber belegt werden, da es ansonsten relativ leicht passieren könnte, dass diese regeltechnische Bedingung übersehen und der Slot aus Versehen für einen Zauber einer anderen Schule „missbraucht“ wird. Das gleiche gilt für die Domänenzauber eines Priesters.
Der Vorteil, den die Magieanwender durch diese Hausregel bekommen, muss natürlich auf der anderen Seite durch einen entsprechenden Nachteil ausgeglichen werden – das nachträgliche Memorieren von Sprüchen ist weitaus anstrengender, als das morgendliche Memorieren, da man nicht mehr zu 100% ausgeschlafen ist. Deshalb ruft es einen Erschöpfungszustand hervor, der durch nicht-tödlichen Schaden abgebildet wird. Um dies „operativ“ einfach zu halten, d.h. ohne Schadens- oder Rettungswürfe ausführen zu müssen, berechnet sich der nicht-tödliche Schaden wie folgt:
- 2 Punkte Schaden pro Spruchstufe
- 2 Punkte Schaden pro in der Sitzung memoriertem Spruch über den ersten hinaus
Beispiel
Hier mal ein konkretes Beispiel. Aeron, ein Beschwörer der 9. Stufe, könnte sich zu Beginn des Tages sechs Zaubersprüche des ersten Grades einprägen, allerdings weiß er noch nicht so recht, was der Tag so mit sich bringt. Da man mit allem rechnen muss, auch mit einem unerwarteten Kampf, prägt er sich erst einmal nur Shield und Summon Monster I ein, um im Falle eines Falles schnell reagieren zu können und nicht ganz schutz- und angriffslos in einem Kampf dazustehen. Summon Monster I ist dabei der Zauber, welchen er in den zusätzlichen Slot legt, der ihm aufgrund seiner Magierspezialisierung zusteht. Die anderen vier Slots lässt er erst einmal leer.
Tatsächlich verschlägt ihn der Tag in die Bibliothek der Magiergilde, wo er ein paar Nachforschungen betreiben muss. Da die Bibliothek Bücher aus aller Herren Länder beinhaltet, und Aeron außerdem ein wenig faul ist, jedes Buch eigenhändig aus dem Regal zu holen, zieht er sich erst einmal in einen Leseraum der Bibliothek zurück und memoriert nachträglich noch zweimal Comprehend Languages und einmal Unseen Servant. Dies dauert insgesamt sieben Minuten und Aeron nimmt 10 Punkte nicht-tödlichen Schaden (3 Sprüche x 1. Grad x 2 SP plus (3 – 1) Sprüche x 2 SP), welche er jedoch als Charakter der 9. Stufe in etwas mehr als einer Stunde wieder heilen kann. Von den ursprünglich sechs Slots sind nun also fünf belegt und einer noch frei.
In der Bibliothek findet er einen Hinweis auf ein spezielles Grab auf dem Friedhof, den er als nächstes aufsuchen möchte. Er setzt sich also noch einmal in die Kammer, um sich sicherheitshalber den Spruch Detect Undead zu memorieren. Dies würde noch einmal fünf Minuten dauern, allerdings betritt während dieser Zeit ein Bibliothekar die Kammer, um dort aufzuräumen. Aeron wird in seiner Konzentration gestört und muss die entsprechende Fertigkeit gegen Schwierigkeitsgrad 10 würfeln. Der Wurf misslingt, so dass er mit dem Memorieren von vorne beginnen muss. Er braucht also insgesamt 6 Minuten und nimmt 2 Punkte nicht-tödlichen Schaden (1 Spruch x 1. Grad x 2 SP plus (1 – 1) Sprüche x 2 SP). Insgesamt hat Aeron also an diesem Tag die Sprüche Shield, Summon Monster I, 2 x Comprehend Languages, Unseen Servant und Detect Undead memoriert. Hätte er gleich zu Beginn des Tages seine Sprüche auswählen müssen, dann wäre diese Liste wahrscheinlich anders (und höchstwahrscheinlich weniger hilfreich) ausgefallen.
Weitere Regeloptionen: neue Talente
Schnelleres Memorieren [Metamagie]
Voraussetzungen IN 13, 5 Ränge in Konzentration
Benefit Der Charakter kann einerseits durch seine hohe Auffassungsgabe die zu memorisierenden Sprüche schneller erfassen, andererseits braucht er sich aufgrund seiner verbesserten Konzentrationsfähigkeit nicht mehr so akribisch auf das Memorieren vorbereiten. Deshalb wird die benötigte Zeit zum Memorieren der Sprüche halbiert.
Leichteres Memorieren [Metamagie]
Voraussetzungen KO 13, Ausdauer
Benefit Durch seine sehr gute körperliche Verfassung kann der Charakter den Erschöpfungszustand, der durch das nachträgliche Memorieren entsteht, besser verkraften. Deshalb wird der nicht-tödliche Schaden, den er beim Memorieren erleidet, halbiert.
Ersetzendes Memorieren [Metamagie]
Voraussetzungen WE 13, 5 Ränge in Zauberkunde, Zauberstufe 5
Benefit Falls der Magieanwender keinen freien Slot mehr für die gewünschte Spruchstufe zur Verfügung hat, aber noch einen nicht verbrauchten, memorierten Spruch, so kann er diesen aus seinem Gedächtnis tilgen, um so doch noch einen freien Slot zu bekommen. Aber auch dieses absichtliche „Vergessen“ eines Zaubers ist ein Akt, welcher den Charakter erschöpft. Der Magieanwender erleidet weiteren nicht-tödlichen Schaden in Höhe von zwei Punkten pro Zaubergrad, der nicht durch das Talent „Leichteres Memorieren“ halbiert werden kann.
Ein Magier, der also zum Beispiel den Zauber des 3. Grades Fireball durch einen Lightning Bold ersetzen möchte, nimmt 6 Punkte nicht-tödlichen Schaden für das Vergessen des Fireball sowie weitere 6 Punkte für das Memorieren des Lightning Bold.
Hab deinen Blogeintrag nur überflogen und auch die entsprechende Stelle im Regelwerk nur kurz durchgelesen, aber im Spielerhandbuch (ca. S.217ff) sind doch extra Möglichkeiten genannt, um nachträglich arkane und göttliche Zauber vorzubereiten. Sind sogar gar nicht so verschieden von deinen Hausregeln.
In Kurzform:
Zauberer können Slots frei lassen und im Laufe des Tages füllen, das dauert dann 15 Minuten für 1/4 der gesamten Zaubersprüche, wenn es deutlich mehr sind kann es auch mal länger dauern.
Bei göttlichen Zauberwirkern muss einmal am Tag zur selben Uhrzeit wie immer „richtig“ gebetet werden um sich auf das Wirken der Zauber vorzubereiten, im Nachhinein können dann die frei gelassenen Slots durch Gebete gefüllt werden.
Ich hoffe ich blamier mich hier jetzt nicht, weil ich deinen Post falsch verstanden habe 😀
Aber die Regeln die ich im 3.5er Buch gefunden habe widersprechen ja im Grunde deiner Aussage vom Anfang des Posts, dass Magieanwender „sich ihre Zaubersprüche morgens einprägen und dann den Tag über mit diesem „Satz“ an Sprüchen leben müssen – komme, was wolle. “ 😉
Gruß,
schneeigland
Hallo schneeigland,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Und keine Sorge — Du blamierst Dich nicht, weil Du den Post falsch verstanden hast; vielmehr blamiere ich mich hier fast durch diese Demonstration fehlender Regelfestigkeit 😀
Ich muss gestehen, dass ich das Spielerhandbuch das letzte Mal vor knapp fünf Jahren komplett durchgelesen habe, deshalb konnte ich mich wahrscheinlich an diesen Passus nicht erinnern. Und auch bei meiner Recherche habe ich das wohl geflissentlich übersehen – wahrscheinlich ist die Regel, dass sich Magieanwender ihre Zaubersprüche morgens einprägen müssen, noch zu stark aus irgendeiner älteren Edition in meinem Hirn verankert.
Danke jedenfalls, dass Du mich auf die Regel aufmerksam gemacht hast. Meine beiden Magier und meinen Priester wird’s freuen!
Gruß,
Doctore Domani
Freut mich, wenn mein Hinweis geholfen hat 🙂
Ich hatte da wohl den Vorteil, dass ich von D&D nur die Version 3.5 gespielt hab, die älteren (und die neuere) kenne ich gar nicht.
Da sind deine Spieler ja eigentlich selber Schuld, wenn sie die Regeln für ihre Klassen nicht nachlesen 😉
Gruß,
schneeigland
Ich weiß, dass die Möglichkeit selten genutzt wird, aber tatsächlich kann man Slots offenlassen. eine meiner Gruppen macht das ganz gern. Übrigens gibt es bei PF auch Talente, um Zauber zu „verbrennen“ und dafür effekte zu bekommen (energieschild oder -kugel).
Hallo Greifenklaue,
habe mir die beiden Talente gerade mal im Pathfinder-SRD angeguckt, hören sich interessant an. Ich denke, ich werde sie in meine Kampagne übernehmen, da haben meine Magier sicherlich Freude dran.
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